Fasching/Fastnacht/Karneval

Hier tickt die närrische Uhr doch ein wenig anders

Närrisches Treiben in Deutschland wird fast überall von Prinz Karneval beherrscht. Köln und Mainz dominieren im Fernsehen mit ihren Saalveranstaltungen und Rosenmontagsumzügen. Aber in Baden-Württemberg ticken die Uhren närrisch ein wenig anders, denn dort feiert man die Fastnacht, oder auch Fasnacht oder Fasnet nach alten Überlieferungen. Die totale Vermummung, das völlige Ablegen der eigenen Identität und das unerkannte Schlüpfen in eine andere Rolle stehen hier im Gegensatz zum Karneval oder Fasching, wo sich das närrische Volk lediglich verkleidet. Zwar haben beide Formen ein und denselben Ursprung, Fastnachtstreiben alter Art gab es auch in Köln, aber Mitte des 19. Jahrhunderts eroberte von hier aus der romantische Prinz Karneval von Italien kommend, die Herzen der Narren am Rhein. Dies setzte sich praktisch überall in Deutschland durch, und auch in Baden und Württemberg verschwanden die alten Narrenkleider auf Dachböden und in Truhen. Denn das gut betuchte Bürgertum wollte sich ebenfalls elegant ins närrische Treiben der 5. Jahreszeit stürzen und nicht mehr in den alten, muffigen Kleidern.

Aber bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es ein Umdenken und in vielen alten Narrennestern begann eine Rückbesinnung auf die alten Traditionen. Die alten Kleider wurden „ausgegraben“ und Fastnacht nach alter Väter Sitte gefeiert. Diese war oft roh, derb und ursprünglich und auch nur den Männern vorbehalten. Daran hat sich bis heute vielerorts nichts geändert, bleibt aber eher die Ausnahme, Denn die Frauen haben die schwäbisch-alemannische Fastnacht in den zurückliegenden 50 Jahren für sich erobert.

Dennoch gibt es Narrenstädtle, in denen es praktisch unmöglich ist, während der Fastnacht in eines der traditionellen Narrenkleidle zu schlüpfen, weil es einfach nicht erlaubt ist. Organisiert sind die Narren in Zünften und die Narrenzunft bestimmt, wo es an der Fasnacht langgeht. So auch in der Frauenfrage. In traditionelle Narrennestern, wie etwa Überlingen am Bodensee oder Gengenbach im Kinzigtal (Schwarzwald) wurden für Frauen eigenständige Narrenfiguren geschaffen. So ist allen geholfen und alle haben ihren Spaß. Der Start in die 5. Jahreszeit erfolgt im Gegensatz zum Karnevalsgebiet nicht am 11.11., sondern immer am 6. Januar, dem Dreikönigstag. In den Wochen bis zur eigentlichen Fastnacht, im Südwesten spricht vom Fastnachts-, nicht vom Rosenmontag, stimmen Narrentreffen das närrische Volk auf die Hohen Tage ein.

Diese Hohen Tage starten am Donnerstag, dem Schmotzigen Dunnschtig vor Aschermittwoch mit den verschiedensten Aktivitäten. Schmotzig steht dabei nicht für Schmutz, sondern für Fett, da an diesem Tag viele Dinge in Fett gebacken werden, wie etwa Krapfen. Und fast überall ist schließlich der Montag der höchste aller Tage. Dann finden die Narrensprünge statt, welche macherorts, wie etwa in Rottweil, rund 10.000 Zuschauer an die Straßen locken.

Zurück zu den Narrentreffen. Die gibt es seit 1928, als sich erstmals Narren gegenseitig besuchten, etwas bis dato völlig unbekanntes. Dies entwickelte im Laufe der Jahrzehnte eine unglaubliche Eigendynamik. Es wurden verschiedenste Dachorganisationen, Verbände und hunderte neue Narrenzünfte gegründet. Die meist nicht auf historischen Wurzeln fußen, aber Spaß an der Fastnacht haben. Und zu diesem Spaß gehört eben auch ein Narrentreffen. Damit lässt sich die Fastnachtssaison künstlich verlängern, da man ja nur an den Hohen Tagen in sein Narrenkleid oder Häs darf. Kostüm sagt man nicht im Südwesten und verrät sich damit sofort als Auswärtiger.


Freigiebig sind die südwestdeutschen Narren allemal. Sie schmeißen die Kamelle nicht wahllos in die Menge, sondern suchen sich ihre “Opfer” aus. Die sollten aber zumindest einen Narrenvers oder ein entsprechendes Lied kennen. Hier ein Oberndorfer Narro mit einer eigentlich 30 Brezeln fassenden Stange. Ein Großteil fehlt schon, wie man sieht.

Ein Rottweiler Schantle als Porträtlarve aus den 1920er Jahren. Sie zeigt eindrucksvoll die hohe Kunst der Holzschnitzer.

Eine traditionell hohe Schnitzkunst gibt es auch in Villingen, wie diese beiden gütig lächelnden Morbili beweisen.

Ein Blick über den närrischen Tellerrand

Wer bei einem Venedig-Besuch sich einfach mal durch die Gassen treiben lässt, egal zu welcher Jahreszeit, wird überall viele kleine Geschäfte entdecken, welche die venezianische Maskentradition in Hülle und Fülle anbieten. Es gibt praktisch keine hundert Meter, ohne das man in den Verkaufsgassen nicht auf eines der unzähligen Maskengeschäfte trifft. Es gibt aber auch einige größere Manufakturen, vor denen man urplötzlich steht und die einfach zum Verweilen und Herumstöbern einladen. Wie etwa die „Ca‘ del Sol“ in Castello 4964, unweit des Campo San Provolo. Hier kann der Besucher Maestro AMID sogar bei der Arbeit über die Schulter schauen. Aber genauso spannend ist der Blick auf die Wände des Ateliers und Geschäfts. Die sind über und über mit den Maskentypen des venezianischen Karnevals gespickt: Columbina, Harlekin, Pantalone, Pulcinella, Brighella, Capitano oder Medico Della Peste.

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